Fraktionserklärung: Behördeninitiative Ausländer*innenstimmrecht
Fraktionserklärung der Gemeinderatsfraktionen SP, Grüne, GLP, AL
Behördeninitiative Ausländer*innenstimmrecht
Es ist Zeit!
Mit seiner heute beschlossenen Behördeninitiative beweist der Stadtrat, dass er es ernst meint mit der Forderung nach mehr politischer Teilhabe in unserer Stadt. Die Initiative verlangt vom Kanton, dass er den Gemeinden die Möglichkeit gibt, Ausländerinnen und Ausländern mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung das Stimm- und Wahlrecht zu erteilen, wenn sie seit zwei Jahren hier leben. Das unterstützen wir, die Fraktionen der SP, Grünen, GLP und AL ausdrücklich und nicht erst jetzt. Über die letzten Jahre haben wir im Gemeinderat beispielsweise bereits die Einführung einer AusländerInnen-Initiative nach dem Berner Modell als Instrument für die Mitwirkung von AusländerInnen gefordert, was sich jedoch aufgrund der aktuellen Rechtslage als nicht umsetzbar erwies, und schliesslich in der Lancierung eines Beschlussantrags zur Einführung eines Bevölkerungsantrags für Jugendliche und AusländerInnen mündete. Die Anliegen konnten stets breite parlamentarische Mehrheiten gewinnen. Wir freuen uns, dass der Stadtrat dies nun mittels Behördeninitiative weiterverfolgt und wünschen uns diesen Mut auch für andere Geschäfte in diesem Bereich.
Heute hat mehr als ein Drittel der über 18-jährigen Bewohnerinnen und Bewohner Zürichs aufgrund ihres Passes kein Stimmrecht zahlt aber genauso Steuern. In der Altersgruppe der 30-39-Jährigen sind es sogar 50 Prozent. Das bedeutet: Die Hälfte der Angehörigen dieser grössten Altersgruppe Zürichs ist ausgeschlossen vom politischen Prozess. Sie hat keine Stimme, wenn es darum geht, wie die Schule ihrer Kinder organisiert, die Strassen ihrer Quartiere bewirtschaftet oder der Strom ihrer Wohnungen erzeugt sein sollen. Sie können möglicherweise in unterschiedlichen Gremien mitreden, haben aber nicht das Recht, mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht allein an die Staatsbürgerschaft und so lange Wohnsitzfristen zu knüpfen, wird dem heutigen Mobilitätsverhalten nicht gerecht und resultiert in einem massiven Demokratiedefizit.
Politische Teilhabe ist im demokratischen Prozess ein hohes Gut. Teilhabe an den demokratischen Entscheidungen fördert nicht nur die Identifikation mit der Gemeinschaft, zu der jemand gehört, und dient daher der Integration. Sie stellt auch ein Grundrecht dar, das nicht als Privileg verstanden werden darf, dem man sich erst würdig zu erweisen hätte. Demokratie bedeutet im Grundsatz, dass diejenigen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, sich zu diesen auch äussern können. Umso bedeutsamer ist es, die Demokratie in unserem Land – derer wir uns so gerne rühmen – endlich zu stärken, indem wir Menschen ausländischer Herkunft nicht länger systematisch von der demokratischen Mitsprache ausschliessen.
Mit seiner Behördeninitiative macht der Stadtrat einen ebenso pragmatischen wie wohlbegründeten Vorschlag:
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Die Gemeindeautonomie würde gewahrt, indem jede Gemeinde frei bliebe zu entscheiden, ob sie das Stimmrecht gewährt oder nicht. Realpolitisch ist dieser Ansatz wohl nach wie vor richtig – wir hoffen aber, dass sich auch andere Gemeinden entscheiden werden, mehr Partizipation zu ermöglichen.
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Mit einer Wohnsitzfrist von zwei Jahren hält der stadträtliche Vorschlag die Hürden für das Stimmrecht tief, ohne bürokratisch komplizierte Verfahren für Menschen zu erfordern, die ein modernes Mobilitätsverhalten aufweisen.
Wir, die Fraktionen von SP, Grünen, GLP und AL begrüssen die Behördeninitiative des Stadtrats und danken ihm dafür, dass er diesen Weg einschlägt. Vom Kantonsrat erwarten wir, dass er eine mehrheitsfähige Grundlage dafür schafft, dass die Kantonsbevölkerung in einer Volksabstimmung dem Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer zustimmen kann.
Es ist Zeit für mehr Partizipation und eine breiter abgestützte Demokratie!