Offener Brief an Stadtrat Dr. Richard Wolff
Sehr geehrter Herr Stadtrat, lieber Richi
Die Stadtpolizei büsst immer noch Besitzer_innen von Kleinstmengen von Cannabis. Dies, obschon das Bezirksgericht Zürich in einem wegweisenden Entscheid (Geschäfts-Nr.: GC150199-L/U) festgestellt hat, dass diese Praxis gegen das eidgenössische Betäubungsmittelgesetz verstösst, also keine Rechtsgrundlage hat.
Zur Erinnerung: Gemäss BetmG, Art. 19b, ist der Besitz einer geringfügigen Menge Cannabis seit dem 1.10.2013 in der Schweiz legal. «Geringfügig» definiert das Gesetz dabei mit einer Menge von weniger als 10 Gramm. (Betäubungsmittelgesetz BetmG, SR 812.121, Artikel 19b, Absätze 1 und 2)
In der schriftlichen Anfrage 2016/294 der Gemeinderäte Matthias Probst und Markus Kunz wird die Stadtpolizei auf diesen Umstand hingewiesen. Trotzdem weigert sie sich, ihre Bussenpraxis anzupassen. In der Antwort auf die oben erwähnte Anfrage heisst es dazu salopp: Die Stadtpolizei sei der Meinung, «dass eine langjährige Strafverfolgungspraxis in der Regel nicht aufgrund eines einzelnen Einzelrichterurteils sofort umgestossen werde. Bei strittigen Rechts- und Auslegungsfragen wartet sie grundsätzlich einen Leitentscheid zumindest des Obergerichts ab.» Das bedeutet, dass entweder ein Gebüsster/eine Gebüsste vor Obergericht gehen muss, was ihn/sie so oder so teuer zu stehen kommt, oder dass die Stapo selber mit Steuergeldern den Rechtsweg ausreizen will. Es scheint also in der Tat nicht zu genügen, Recht zu haben, solange man es nicht bekommt.
Wir fordern Sie, sehr geehrter Herr Stadtrat, auf, dieser Praxis unverzüglich ein Ende zu setzen. Natürlich kann man argumentieren, dass die Anwendung Bagatellfälle seien, aber hier geht es um rechtsstaatliche Prinzipien. Es kann nicht angehen, dass sich die Vollzugsorgane über das Recht hinwegsetzen, während sich die Exekutive hinter der «Gewaltentrennung» versteckt. Das zeugt von einer eigenartigen Staats- und Amtsauffassung zu Lasten unbescholtener Bürger_innen. Um die Sachlage zu klären, hat Gemeinderat Matthias Probst daher eine Beschwerde beim Bezirksrat Zürich eingereicht.
Die Grünen der Stadt Zürich sind empört über diese aktuelle Entwicklung in einem gesellschaftspolitischen Bereich, in dem die Tendenz klar in Richtung Liberalisierung geht, während die Stadtpolizei eigenmächtig und widerrechtlich im Gegenkurs fährt. Wir fordern Sie, sehr geehrter Herr Stadtrat, auf, alles in Ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die Polizei auf einen realitätsnäheren Kurs zu bringen. Sie sind der Vorgesetzte! Handeln Sie!
Mit freundlichen Grüssen
Felix Moser, Parteipräsident Kathy Steiner, Geschäftsführerin