Der Klimastreik will Netto-Null 2030 als Ziel. Das nützt allerdings wenig, wenn Massnahmen dazu politisch nicht gesichert umsetzbar sind. Schon 1t bis 2035 ist als sehr ehrgeizig zu betrachten.

Die Grünen Winterthur begrüssen die Forderungen des Klimastreiks (Beiträge dazu im Tele Top und im Landboten) nach rascher Umsetzung bzgl. CO2-Absenkpfad. Die Schweiz als reiches Land und Winterthur als sechstgrösste Stadt haben in der internationalen Gemeinschaft aufgrund der bisherigen Entwicklung eine Pflicht zum entschlossenen Handeln, die über das hinausgeht, was die globalen Minimalziele sind.

Wir haben deshalb bereits bei der Veröffentlichung des jetzigen Massnahmenpaketes Netto-Null 2050 darauf hingewiesen, dass wir überzeugt sind, dass mit den bisher geplanten Ressourcen und Investitionen wohl nicht einmal das Zwischenziel 1t bis 2035 zuverlässig erreicht werden kann. Es muss allerdings zugunsten des stadträtlichen Planes ebenfalls festgestellt werden, dass dieses Zwischenziel aus politisch praktischer Sicht bereits recht ehrgeizig ist und weit über das hinausgeht, was bisheriger Klimakonsens z.B. der nationalen Regierung ist.

Es gibt zwei wesentliche und limitierende Faktoren für die Umsetzung von Massnahmen, das gilt für das Zwischenziel des Stadtrates, aber noch viel mehr für ein allfälliges Netto-Null Ziel 2030: Geld und/oder Regularien (Gesetze/Pläne). Ein typisches Beispiel dazu: In grossen Teilen Winterthurs können keine effizienten Wärmepumpen mit Tiefenbohrungen erstellt werden, da diese im Grundwasserschutzgebiet liegen. Andererseits darf nicht jede Liegenschaft allein mit einer Grundwasserwärmepumpe angeschlossen werden. Nur grössere Anlagen sind zugelassen. Diese aber rechnen sich erst, wenn alle Liegenschaften angeschlossen sind. Weil jede Liegenschaft heute ihre eigene Wärmeversorgung hat (welche Technologie auch immer), werden – freiwillig und aufgrund der Lebenszeitzyklen/Kosten – nie alle zusammen ersetzen. D.h. es muss einiges an Vorabinvestitionen getätigt werden. Die Stadt könnte das tun, das würde aber initial höhere Kosten (auch aus dem Steuerhaushalt) bedeuten. Die Grünen haben schon vor fünf Jahren solche Investitionen gefordert, bisher vergeblich. Die politische Mehrheit war dazu nicht willens.

Zum anderen lassen die aktuellen Gesetzgebungen noch keine verbindliche Anschlusspflicht an solche Anlagen zu. Erst mit dem kantonalen, neuen Energiegesetz, das vielleicht – nach einem Referendum – irgendwann ab 2022 in Kraft treten wird, kann so etwas – partiell – umgesetzt werden. Zum dritten muss auch der kommunale Energieplan hierzu angepasst werden. Auch das dauert im politischen Prozess mehrere Jahre. Schliesslich sind Heizungs-Anlagen, die aktuell oder vor kurzem neu erstellt wurden erst in 20 Jahren wirklich abgeschrieben (auch was die graue Energie anbetrifft). Schon ein Zeithorizont von 15 Jahren (2035) ist da bereits sehr kurz und führt zu zusätzlichen Kosten.

Eine Anschlussplicht oder ein Ersatz gegen die Lebenszykluskosten einer bestehenden Anlage ist auch mit dem neuen kantonalen Energiegesetz nicht vorgesehen. Auch wenn wir ab übernächstem Jahr mit der Umsetzung dieser Massnahme hoffentlich weiterkommen: Eine weitergehende Beschleunigung über die bisherige Planung hinaus ist politisch und grundeigentümerverbindlich kaum denk- und umsetzbar. Leider.

Die Grünen sehen und anerkennen den Bedarf für einen möglichst steilen Absenkpfad. Wir sehen dazu sowohl ein Potenzial wie auch die internationale Verantwortung. Zur Realisierung bedingte es aber neue Mehrheiten, welche kommunal und kantonal gewillt sind, jetzt und rasch, zusätzliche Regularien zu erlassen und finanzielle Mittel bereitzustellen (wie oben am Beispiel diskutiert). Um dies zu erreichen, wird es den Druck von der Strasse und der Gesellschaft weiterhin und nicht zu knapp benötigen. Aktuell halten wir aber daran fest, dass für uns die höchste Priorität in einer starken Umsetzungsplanung liegt. Ohne umsetzbare Massnahmen hilft das schärfste Ziel wenig.

Reto Diener, Co-Präsident und Gemeinderat