Controlling-Bericht 2019 zu den Klimamassnahmen gemäss EK 2050: Lange Listen, aber wenig Klarheit über die Auswirkungen. Der Bericht zeigt deutlich, dass die Stadt gerade in den wichtigsten Bereichen mit der grössten Hebelwirkung, Gebäude und Verkehr, keineswegs auf Zielkurs ist.

Controlling-Bericht 2019 zu den Klimamassnahmen gemäss EK 2050: Lange Listen, aber wenig Klarheit über die Auswirkungen. Der Bericht zeigt deutlich, dass die Stadt gerade in den wichtigsten Bereichen mit der grössten Hebelwirkung, Gebäude und Verkehr, keineswegs auf Zielkurs ist.

In den gewichtigsten kommunalen Einflussbereichen sind, im Vergleich zum Monitoring-Bericht 2018, kaum Fortschritte in Bezug auf die Verminderung des wichtigsten aller Messwerte erkennbar, den CO2-Emissionen. Es handelt sich um die beiden Bereiche Gebäudeenergie einerseits (vor allem Wärmeproduktion, aber auch erneuerbare Energieproduktion) und Verkehr andererseits. Der Bericht taxiert verschiedenste Massnahmen als „auf Kurs“, referenziert dabei aber vor allem auf die seit 2014 durchgeführte Massnahmenumsetzung und nicht auf deren effektiven Auswirkungen. Viele Massnahmen mit unbekannten oder eher kleinen Auswirkungen sind gemäss Bericht „auf Kurs“ aber gerade bei den beiden gewichtigsten ist nicht einmal das der Fall. Weiterhin erhält der Bericht keine (auch nur grobe) Abschätzungen, was durch die Massnahmen effektiv im Laufe der Zeit an CO2-Reduktionen (in Relation zu den Absenkpfaden) bis dato erreicht wurde. Aus der Sicht der Zielsetzung und des politischen Auftrages bzgl. 2000Watt-Gesellschaft (alt), bzw. Netto-Null CO2 (neu) wäre es v.a. für die gewichtigen Massnahmenbereiche wichtig zu wissen, wo wir diesbezüglich wirklich stehen. Im folgenden deshalb einige Ausführungen zu den beiden oben genanten Haupt-Bereichen.

1. Gebäude, Energieverbrauch und -Produktion: Die energetische Sanierungsrate ist aktuell in Bezug auf die Pariser-Klimaziele nicht genügend. Das zeigen nicht nur alle bisher vorliegenden Berichte des lokalen Monitorings selbst, das zeigt auch eine eben bekannt gewordene Studie der ZKB, welche schweizweit die Situation in grossen Städten analysiert hat. Die Grünen haben immer wieder gefordert, dass das lokale Förderprogramm diesbezüglich ausgebaut wird. Es ist praktisch die einzige Massnahme, die wir lokal umsetzen können. Allfällig zwingende gesetzliche Rahmendingungen zur Sanierung müssen kantonal und national festgelegt werden. Der Umstieg auf erneuerbare Energien zur Deckung des Wärme- und Strombedarfs ist ebenfalls nicht hinreichend auf Kurs, bzw. wird nicht wirklich transparent ausgewiesen. Noch immer werden – völlig unverständlich – neue Arealüberbauungen geplant (wie eben gerade im Eichwaldhof), wo weiterhin Erdgas zum Heizen eingesetzt werden soll, obwohl Grundwasser- oder Erdwärme zur Verfügung stünde. Solange die Stadt diese nicht mindestens selbst umsetzt und wenigstens für Arealüberbauungen einfordert, sind nicht einmal die absoluten Minimalziele erreicht. Zum schnelleren Ausbau von PV-Anlagen fordern die Grünen, ebenfalls schon länger, einerseits einen Ausbau des Förderprogrammes für die entsprechend langfristigen Investitionen (bei Privaten und Gewerbe) und andererseits einen Masterplan zur Nutzung aller stadteigenen Liegenschaften. Erst jüngst ist davon nun etwas in die städtische Planung eingeflossen. Beim vorliegenden, rückblendenden Bericht kann damit auch diesbezüglich noch längst nicht von „auf Kurs“ gesprochen werden. Schliesslich weist der Controllingbericht selbst unmissverständlich aus, dass eine der allerwichtigsten Massnahmen im Bereich der lokalen, erneuerbaren Energien, die Quartierwärmeverbünde, nicht wie gewünscht vorangekommen ist. Auch das hätte nicht sein müssen. Dass jetzt auf die Beratung des entsprechenden Postulatsberichtes im GGR gewartet wird, kommt als doch eher faule Ausrede daher. Es war immerhin der Stadtrat selbst, der die Aquifer-Umsetzung wieder besseren Wissens wegen ein paar unsicheren Renditeprozenten stoppte. Der Umbau der Energieversorgung muss uns etwas Wert sein. Die Kosten einer ungebremsten Klimaerhitzung werden demgegenüber um ein Vielfaches höher ausfallen.

2. Verkehr: Winterthur als Velostadt Nr.1 in der Schweiz? Fehlanzeige. Das war einmal. Auf eine Velo-Offensive, wie sie z.B. Bern seit Jahren erfolgreich umsetzt, warten wir bisher vergeblich. Dabei wäre eine Verlagerung von lokalem Auto-Verkehrsvolumen (heute rund 35%) auf mehr Velofahrten eine der effizientesten und gesamtwirtschaftlich kostengünstigsten Massnahmen, um den drei grossen Herausforderungen beim Verkehr entgegenzutreten: CO2-Emissionen, Platzverbrauch, Lärm. Stattdessen liegen Projekte und Pläne für Veloschnellrouten und ähnlichem in der Schublade und können aufgrund mangelnder Ressourcen nicht umgesetzt werden. Auch da geht es nicht ohne Investitionen und entsprechend personellen Kapazitäten. Nun riskieren wir sogar, dass für die eingereichten Agglommerationsprojekte (bzgl. Velo- und Busmassnahmen) die Gelder des Bundes nicht fliessen werden, weil die Umsetzung nicht oder zu spät kommt. Auch wenn hier in der jüngsten Zeit wieder etwas mehr Bewegung in die Entwicklung gekommen ist (z.B. die Projekte rund um den Hauptbahnhof), die Sparpakete der vergangenen Jahre haben noch auf lange Zeit hinaus eine fatale, bremsende Wirkung! Der Controllingbericht zeigt deutlich auf, dass es an dieser Stelle harzt. Nichts von „auf Kurs“ diesbezüglich. Die Grünen fordern vielmehr eine konsquente Umnutzung von Teilen des heutigen Strassenraums für mehr sanfte Mobilität, öffentlichen Verkehr sowie Grünräume zum Schutz vor der Klimaerwärmung. So ist für uns nicht verständlich, dass mit der aktuellen Vorlage zur Parkierung im öffentlichen Raum die Chance nicht genutzt wird, den Parkraum knapper zu bewirtschaften. Etwas das leider auch mit der kürzlich verabschiedeten Parkplatzverordnung (private Parkierung) bei weitem nicht hinreichend gelang. Dass wir bei diesen Anliegen immer mit Widerstand von der anderen politischen Seite rechnen müssen ist nicht im Einflussbereich der Stadt, aber dass sie Vorlagen auf den Tisch legt, welche die Energie- und Klimazielsetzungen nicht mutiger und konsequenter angeht schon. In der aktuellen Zeit völlig unverständlich ist die jüngst an die Häpo AG erteilte Bewilligung für den Bau einer weiteren klassischen Benzin-Tankstelle mit Shop in Oberwinterthur. Solche Projekte könnten den Umstieg auf andere Mobilitätsformen inklusive privater, automobiler Elektromobilität sogar aktiv behindern!

Fazit: Der Weg wird zunehmend steiniger, die „low hanging fruits“ sind schon weitestgehend geerntet. Wir erwarten von der Stadtregierung auf Anfang des nächsten Jahres ein deutlich mutigeres und zielbezogeneres neues Massnahmenpaket, welches insbesondere in den beiden oben diskutierten, wichtigsten Einflussbereichen beim CO2 eine deutlichere Absenkwirkung erreicht als bisher. Die Zeit läuft, bis 2050 bleiben nur noch dreissig Jahre.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zum Prozess und der Veröffentlichung des nun vorliegenden Berichtes. Es ist schon sehr befremdlich, dass dazu nicht mindestens die zuständige Gemeinderats-Kommission rechtzeitig vor der gestrigen Medienmitteilung aus dem Departement umfassend informiert wurde. Das ist – nach der verunglückten Diskussion um die Fristverlängerung zur Netto-Null Motion von Anfang Jahr – nun schon das zweite Mal in kurzer Folge geschehen. Wahrlich keine kommunikative bzw. kooperative Meisterleistung aus dem Departement von Stadträtin Barbara Günthard-Maier!

 

Medienmitteilung vom 6. Mai 2020
Reto Diener, Gemeinderat, Mitglied BBK, Co-Präsident Grüne