Historischer Kompromiss: ein Auslaufmodell
Ja, auch wir Grünen haben den Historischen Kompromiss immer kritisiert. Allerdings weil wir der Meinung waren und immer noch sind, dass es zu viele, nicht zu wenige Parkplätze in der Innenstadt hat und dass es nicht angeht, dass Stadt und Kanton Zürich Milliarden von Franken in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs investieren, während sich die Umwelt-, die Luft- und die Lärmsituation für die Stadtzürcher Bevölkerung trotzdem nicht verbessert. Dokumentiert wird dies in allen Sonntagspredigten, genannt Umweltberichte, die jeweils den dringlichen Handlungsbedarf, gerade im Verkehrsbereich, immer wieder neu beschwören.
Wenn man aber den Historischen Kompromiss als gültige Wahrheit betrachtet, so scheint uns die Umsetzung mit den getroffenen Annahmen, auch bezüglich Baustellenparkplätzen und Freihausparkkarten durchaus plausibel. Und auch bei den parlamentarischen Beratungen zum Kommunalen Verkehrsplan im Jahr 2003 haben FDP und SVP an der Zählweise oder an den Annahmen nie herumgemäkelt. Interessant ist hier einzig, wie radikal die Freisinnige Demokratische Fraktion heute an der Demontage der eigenen Stadträtin Martelli arbeitet. Frau Martelli, die doch immerhin noch für einen Freisinn in seinen besseren Zeiten steht. Denn wenn jemand im Nachgang des Historischen Kompromisses 1996 für die Umsetzung zuständig war, dann doch wohl die Tiefbauvorsteherin der Jahre 1994 bis 2002.
Nun ist die Situation so, dass einige Gewerbetreibende mit dieser Umsetzung unzufrieden sind. Um diese Unzufriedenheit zu dokumentieren, nehmen sie viel Geld in die Hand. Es scheint so, als ob sie auch den Volksentscheid vom 8. Februar 2004, die Abstimmung über den Kommunalen Verkehrsplan, die aktuell gültige Rechtsgrundlage, nicht akzeptieren wollten, ebenso wenig wie SVP und FDP. Nun denn: Bei so viel organisierter Unzufriedenheit scheint es uns angebracht, die erhobenen Vorwürfe, die uns zwar im Bericht des Stadtrates als widerlegt erscheinen, auch einer parlamentarischen Diskussion zugänglich zu machen. Sachlich schiene uns eine Behandlung durch die Verkehrskommission zwar sinnvoller, aber wenn alle anderen Parteien die GPK beauftragen wollen, stimmen auch wir diesem Anliegen zu.
Dann werden wir allerdings gleichzeitig auch über unsere Unzufriedenheit diskutieren. Unsere Unzufriedenheit, dass seit 1990 die Zahl der Parkplätze immer höher war, als es der „Historische Kompromiss“ vorsah. Unsere Unzufriedenheit über die wunderbare Vermehrung von Güterumschlagplätzen, ohne dass diese jemals Eingang in eine Statistik gefunden hätten. Eine GPK-Untersuchung versetzt uns auch in die Lage, zu diskutieren, warum rechtskräftig aufgehobene Parkplätze dann tatsächlich nicht aufgehoben worden sind. Für diese Anregungen sind wir Herrn Müller doch durchaus dankbar. Wenn aber FDP und SVP auch in Zukunft derart vehement an den Grundlagen des Historischen Kompromisses rütteln wollen, was uns nicht stört, dann ist wohl ein neues Austarieren der politischen Ausrichtung nötig. Und dass hier drängende Umweltanliegen ebenso gebührend berücksichtigt werden, wie eine höhere Aufenthaltsqualität in der Innenstadt, dafür sorgen wir sicher.
Markus Kunz, Fraktionspräsident