Anfangs letzter Woche stellte die Kantonspolizei unverpixelte Bilder von potenziellen Augenzeugen eines Gewaltdelikts ins Internet. Das Delikt wurde im April dieses Jahres in Altstetten verübt.  Die Fahndung war erfolgreich, die Identität der Abgebildeten konnte festgestellt werden.

Am Donnerstag letzter Woche stellte die Kantonspolizei ein unverpixeltes Bild eines dringend Tatverdächtigen ins Internet. Dies lediglich ein Tag nach dem schwerwiegenden Gewaltdelikt in der Langstrasse.

Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, dass sich die Kantonspolizei engagiert und effektiv für die Aufklärung von Straftaten einsetzt. Sie ist dafür mit dem Gewaltmonopol ausgestattet und kann nach einer sorgfältig begründeten Abwägung die Grundrechte einzelner vorübergehend einschränken.

Doch seit letzter Woche ist die Kantonspolizei offenbar berauscht vom Fahndungserfolg in Altstetten und hat das Mass verloren. Offensichtlich arbeitet sie nach dem Prinzip: Der Zweck heiligt die Mittel. Der Fahndungserfolg wird weit über die Rechte von Verdächtigten und sogar Zeug*innen gestellt.

Diese Entwicklung beurteilen wir als äusserst besorgniserregend. Wir fordern die Kantonspolizei auf, sich zu einer sorgfältigen Abwägung ihrer Fahndungsmethoden zu verpflichten.

Ein Internetpranger ist eine massive Verletzung der Persönlichkeitsrechte und darf nur unter sehr restriktiven Bedingungen eingesetzt werden.
Eine Orientierungshilfe dafür sind die Empfehlungen der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz.

  • Ein Internetpranger darf nur für dringend Tatverdächtige eingesetzt werden.
    Also nicht für Augenzeug*innen wie in Altstetten.
  • Ein Internetpranger ist das letzte Mittel nach langen vergeblichen Fahndungsbemühungen
    Also nicht am Folgetag des Verbrechens wie in der Langstrasse.
  • Ein Internetpranger soll dreistufig erfolgen. Das erste Bild ist stark verpixelt, das zweite weniger und erst das dritte Bild ist unverändert. Dies ermöglicht den Tatverdächtigen, sich zu stellen, um so einem Internetpranger zu entgegen.

Wir fordern die Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei auf, ihr Engagement bei der Aufklärung von Straftaten wieder mit Mass und Verhältnismässigkeit wahrzunehmen. So wie es einer zivilisierten Gesellschaft und einem fortschrittlichen Rechtsstaat würdig ist.

Verlesen durch Kantonsrätin Silvia Rigoni (Zürich)