Nach Wortbruch der Agrarlobby in Bern muss der Kanton Zürich selber handeln.
Es ist eine bekannte politische Taktik der Bürgerlichen und des Bauernverbands, dass man die Existenz von ökologischen Problemen in einer ersten Phase möglichst lange verneint. Wird der Druck dann irgendwann zu gross, beginnt die zweite Phase, in der man verlauten lässt: Wir haben das Problem schon lange erkannt und tun genug dafür – neue Massnahmen sind keine nötig. So immer wieder geschehen bei der Klimakrise. Und jüngst wieder bei der Biodiversität: Als 2021 der Druck durch die Trinkwasser-Initiative und die Pestizid-Initiative zu gross wurde, lenkten Bund und Bauernlobby ein und versprachen der Bevölkerung unter anderem eine Erhöhung des Anteils Biodiversitätsförderflächen am Landwirtschaftsland von einem auf drei Prozent, deshalb könne man die beiden Initiativen ablehnen.
Inzwischen aber sind National- und Ständerat wortbrüchig geworden – die Einführung der 3.5% Biodiversitätsförderflächen wurde wegen Beginn des Ukrainekriegs verschoben und dann vor den Nationalratswahlen ein zweites Mal verschoben. Letzte Woche wurde die versprochene Erhöhung im Ständerat definitiv rückgängig gemacht.
So streut die Agrarlobby Sand in die Augen die Bevölkerung, und so wenig kümmern sich SVP, Bürgerliche und Mitte in Bern um die Biodiversität in der Schweiz. Als fünftgrösster Agrarkanton ist der Kanton Zürich von dieser politischen Nonchalance aber sehr betroffen. Denn anders als in den Bergkantonen ist bei uns praktisch jede Hektare Land einem gezielten Nutzen unterworfen. Grosse freie Gebiete, auf denen Pflanzen und Tiere sich frei ausbreiten und bewegen können, gibt es bei uns kaum.
Der Siedlungsdruck und der ständig wachsende Verkehr sind zentrale Faktoren für den Biodiversitätsverlust in unserem Kanton. Zu diesen Faktoren gehört aber genauso die intensive und monokulturale Bewirtschaftung der Böden durch die Landwirtschaft.
Dabei wissen es alle: Die Biodiversität ist in unserem Kanton in keinem guten Zustand. Der Insektenschwund von fast 75% seit 1990 ist wissenschaftlich inzwischen gut dokumentiert. 60 Prozent der Insekten gelten in der Schweiz als gefährdet. Entsprechend sind auch die Vogelbestände deutlich zurückgegangen. Ebenso hat die Pflanzenvielfalt im Mittelland stark abgenommen. Die Pestizidbelastung in Fliessgewässern und im Grundwasser überdies führt zu, dass immer mehr Fische, Krebse und Wasserinsekten sterben und immer mehr Trinkwasserfassungen unbrauchbar werden.
Warum wollen Bürgerliche und der Bauernverband diesem Biodiversitätsverlust noch länger zuschauen? Wir Grüne fordern genau das Gegenteil: Mit der Gesetzesvorlage zur klimaangepassten Siedlungsentwicklung hat dieser Rat auch die Grundlage zur Verbesserung der Biodiversität im Siedlungsgebiet geschaffen. Verschiedene Vorstösse auch aus bürgerlichen Reihen wollten inzwischen eine biodiversitätsnahe Bewirtschaftung der Strassennebenflächen.
Fraktionserklärung vom 17. Juni 2024 verlesen durch Thomas Forrer, Fraktionspräsident
Warum soll die Landwirtschaft, die einen derart grossen Teil des Kantonsgebietes bewirtschaftet, nicht auch ihren ausreichenden und notwendigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten? Wir stellen fest, dass dieses Umdenken in Richtung einer ökologischen und biodiversitätsverträglichen Landwirtschaft auf der rechten Seite noch viel zu wenig stattgefunden hat. Ernährungssicherheit und der Erhalt der Biodiversität schliessen sich nicht aus, sondern im Gegenteil: sie gehen Hand in Hand. Es ist Zeit für einen Wechsel: Wenn die Agrarlobby in Bern die Kartoffeln im Acker im verfaulen lassen will, muss der Kanton Zürich seine ökologische Vorreiterrolle einnehmen und die landwirtschaftliche Förderung der Biodiversität selber in die Hand nehmen.