Die Observationsverordnung – ein Grundrechtsskandal
Die Grünen lehnen die vorliegende Observationsverordnung (ObsVO) ab. Sie ist ein politischer Skandal, gehen wir doch davon aus, dass sie gleich mehrfach gegen geltendes Recht verstösst und das Gebot der Verhältnismässigkeit massiv verletzt.
Die Grünen lehnen die vorliegende Observationsverordnung (ObsVO) ab. Sie ist ein politischer Skandal, gehen wir doch davon aus, dass sie gleich mehrfach gegen geltendes Recht verstösst und das Gebot der Verhältnismässigkeit massiv verletzt.
Der Grundsatzentscheid des EMRK war klar: Es fehle eine gesetzliche Regelung, um Observationen bei Verdacht auf Sozialversicherungsmissbrauch durchführen zu können. Ein verdecktes Verfolgen einer Person, die davon nichts wisse, sei ein zu starker Eingriff in deren Grundrecht auf Privatsphäre. Auch das Sozialinspektorat der Stadt Zürich, das seinen Auftrag recht frei interpretierte, beliess es nicht bei offenen Ermittlungen wie unangemeldeten Besuchen, Kontoabfragen oder Online-Recherchen, die für eine gewiefte Recherche-Person viele Ungereimtheiten ans Tageslicht befördern kann, sondern observierte die mutmasslichen Sozialhilfe-Missbrauchenden. Mit dem EMRK-Entscheid stellte der Stadtrat die Observationen ein und erarbeitete eine eigene Vorlage unter Berufung auf die Gemeindeautonomie gemäss kantonalem Sozialhilfegesetz (SHG).
Wir Grünen bestreiten, dass die Stadt Zürich überhaupt befugt ist, eine Ausführungsverordnung zu erlassen, solange eine nationale und kantonale Gesetzesgrundlage fehlt. Das heutige SHG gibt keine Kompetenz, derart starke Eingriffe in die Grundrechte wie das tage- oder wochenlange geheime Verfolgen, Fotografieren, Filmen gar im Aussenbereich von Wohnungen, das Kontaktieren unter falschem Namen und das Verwanzen von Autos mit GPS-Trackern mit einer eigenen Verordnung zu bewilligen. Erst kürzlich wurde dazu im Kantonsrat eine Parlamentarische Initiative überwiesen, welche dem Regierungsrat einen Gesetzesauftrag erteilt. Auch auf Bundesebene ist eine gesetzliche Regelung in Arbeit. Es wäre dem Sozialdepartement und der Kommission gut angestanden, das Geschäft zu sistieren, bis übergeordnete Gesetzesgrundlagen vorliegen. Darauf wollte man nicht eintreten, so sehr drängt offenbar die Wiedereinführung der Observationen. Und das bei einem eher marginalen Problem, würde die Verhältnismässigkeit angewendet.
Die Statistik des Sozialinspektorats zeigt erfreulicherweise, dass bei weniger als 1% der SozialhilfebezügerInnen ein Verdacht auf Missbrauch besteht, der vom Sozialinspektorat untersucht werden muss. Bei bis zu 40% der Fälle konnte der Missbrauchsverdacht nicht erhärtet werden. Genügend Zeit zur Abklärung hätte eine Anzeige beim Sozialinspektorat vermutlich verhindert. Bei den meisten missbräuchlichen Fällen wird anschliessend Strafanzeige eingereicht. Die Polizei hätte also direkt eingeschaltet werden können. Wir fordern deshalb in einem Postulat, den SozialarbeiterInnen der Sozialzentren genügend Zeit für eine fundierte Abklärung zur Verfügung zu stellen, damit sie nicht unnötige Observationen anordnen müssen.
Wir wehren uns gegen das gefährliche Präjudiz der Verletzung der Gewaltenteilung, eines der wichtigsten Prinzipien einer funktionierenden Demokratie. Wenn die Exekutive, konkret Mitarbeitende des Sozialdepartements bzw. der Sozialbehörde polizeiliche Observationsfunktionen, also Bereiche der Judikativen bzw. der Strafverfolgungsbehörden übernehmen, ist die Gewaltenteilung krass verletzt. Speziell unverständlich wird das Vorgehen in Anbetracht des neuen Strafartikels 148a, der Sozialhilfemissbrauch ohnehin unter Strafe stellt und polizeiliche Verfolgungen verlangt.
Sowohl rechtlich wie politisch unhaltbar ist, dass die geplante ObsVO weitergehen will als der Bund bei der Revision des Sozialversicherungsgesetzes. Stossend ist insbesondere, dass keine richterliche Instanz bei der Bewilligung zuständig wäre. Das geht weiter als was der Staat bei Terrorismus oder kriminellen Vereinigungen vorsieht; und Sozialdetektive hätten künftig mehr Kompetenzen als die Polizei.
Dieses Vorgehen soll nur bei den Schwächsten gelten, obwohl gemäss Bundesverfassung alle Menschen gleich sind. Im Sinne der Rechtsgleichheit müsste auch in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts, wo gelogen und betrogen wird, observiert werden. Aber wollen wir wirklich einen derartigen Überwachungsstaat? Für die Grünen eine Horrorvorstellung!
Die ObsVO ist für die Grünen ein zu massiver Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen. Wir lehnen nicht nur die Vorlage ab, wir wollen die Sachlage auch juristisch geklärt haben. Zusammen mit der AL und 3 juristischen Organisationen werden wir eine Beschwerde einreichen.